Haben wir einmal mit einem Roman begonnen, dann lesen wir vor allem weiter, weil wir wissen wollen, was mit den Figuren geschieht. Damit wir uns aber ernsthaft um diese Schauspieler in dem Drama auf den gedruckten Seiten vor uns sorgen, müssen sie für uns zu leibhaftigen Menschen werden. – Elizabeth George, Wort für Wort oder Die Kunst, ein gutes Buch zu schreiben
Die Kunst, eine interessante Figur zu erfinden
Romanfiguren müssen das Interesse der Leser wecken und über viele Seiten halten. Wie erfindet man eine solche Figur?
Einen guten Charakter zu entwickeln braucht Zeit. Darum: Nicht verzweifeln, wenn Sie nicht auf Anhieb den perfekten Protagonisten erschaffen. Und wenn die Figur nicht so ist, wie Sie sie sich vorgestellt haben: umso besser! Lassen Sie sich überraschen, denn dann überraschen Sie auch Ihre Leser.
Der Anfang: Eine Figur skizzieren
Gehen wir davon aus, dass Sie den perfekten Protagonisten noch nicht gefunden haben, um den Sie Ihre Geschichte aufbauen, dann benötigen Sie zunächst eine grobe Vorstellung wofür Sie die Figur überhaupt brauchen. Schreiben Sie einen Krimi? Dann benötigen Sie vielleicht einen Polizisten oder einen Detektiv? Schreiben Sie einen historischen Roman? Dann brauchen Sie vielleicht einen König, einen Adeligen oder einen Bauern? Ist Ihre Figur männlich, weiblich oder sogar beides? Ist sie ein Tier? Ist sie von einem anderen Planeten oder einem anderen Universum? Wenn Sie eine grobe Ahnung vom Plot haben, können Sie sich auch eine passende Figur aussuchen, beziehungsweise die Skizze einer Figur.
Wie oben beschrieben muss eine gute Romanfigur das Interesse der Leser wecken und über viele Seiten halten. Darum muss der Charakter vor dem Akt des kreativen Schreibens vollständig ausgearbeitet sein. Sie müssen also der Skizze feste Konturen geben.
Der Personalausweis: Das Aushängeschild Ihrer Figur
Um sich selbst eine eindeutige Vorstellung Ihres Protagonisten zu machen, können Sie zunächst einen einfachen Personalausweis erstellen, grobe Merkmale, die für Ihre Geschichte am wichtigsten sind:
– Name, Vorname, Spitzname, Geburtsdatum, Geburtsort, (Staatsangehörigkeit), Familienstand, Religion, …
– Geschlecht, Augenfarbe, Haarfarbe, Größe, besondere Merkmale (Piercing, Tattoo oder Narben), …
– Wohnort (wenn vorhanden), Bildung, Hobbys, …
Geben Sie Ihrer Figur feste Wurzeln, das ist ganz wichtig: Wie sieht ihre Familie aus? Wer sind ihre Freunde und Bekannte? Ist sie arm oder reich? Verfestigen Sie diese Informationen indem Sie Ihrem Charakter eine Biografie erstellen.
Die Biografie: Die Geschichte Ihrer Figur
Schreiben Sie (am besten in der Ich-Perspektive) so detailreich wie möglich die Vorgeschichte Ihres Charakters auf. Was hat er erlebt? War es ein glückliches oder traumatisiertes Kind? Usw. Durch die Biografie entdecken Sie Ihre Figur. Sie lernen sie kennen, lieben oder hassen.
Die Feinheiten: Machen Sie Ihre Figur dreidimensional
Geben Sie Ihrer Figur Ziele (oder vielleicht, Anfangs, auch keine). Warum strebt sie danach das zu tun, was sie macht? Was wird sie dadurch erreichen? Es ist wie im echten Leben: Ohne Ziel wird das Leben langweilig und öde und man verfällt schnell in tiefe Existenzkrisen.
Erstellen Sie aus dem Zusammenspiel der Physiologischen und soziologischen Aspekte die dritte Dimension Ihres Protagonisten: Die Psyche. Ist er traurig, fröhlich, wütend oder ist ihm alles gleichgültig? Hat er Ängste, Neurosen oder Psychosen oder sonstige psychologische Eigenheiten? Hat Ihre Figur Willenskraft? Wenn ja, fiebert der Leser mit. Wenn nicht muss das Interesse durch äußere Umstände hinzugefügt werden.
Vorsicht: Passen Sie auf Klischees auf! Nur weil ein Charakter auf eine bestimmte Weise aussieht, oder weil er aus diesem oder jenem Milieu stammt, heißt es nicht, dass er auch so denkt, wie Sie diese Personen oder Milieus kennengelernt haben. Informieren Sie sich gut, denn an dieser Stelle kann man viel falsch machen und große Kritik ernten.
Schwächen: Mach Sie Ihre Figur menschlich
Niemand ist perfekt. Schwächen sind die Kirsche auf dem Kuchen unserer Romanfiguren. Schwächen zeigen dem Leser, dass Ihre Figur menschlich ist und bringt sie ihm näher. Nehmen wir einen muskelbepackten Macho, der durch illegale Straßenkämpfe sein Geld verdient und bei Hundewelpen in Tränen ausbricht, weil er sie so süß findet, der gibt Ihrer ganzen Geschichte richtig Pep! Gut platzierte Schwächen sind das Geheimnis jeder Bestseller-Romanfigur!
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Haben Sie Ihren Charakter vollständig ausgearbeitet und alle Informationen zusammen? Wunderbar! Schreiben Sie alles auf ein Blatt Papier und heften Sie es ab: Wenn Sie viele Figuren erfinden, können Sie schnell durcheinanderkommen und vielleicht sogar ein paar Charakterzüge vergessen. Diese Personalausweise mit Biografien werden Ihnen helfen den Überblick zu behalten und Ordnung zu schaffen.
Zum Schluss: Halten Sie sich nicht krampfhaft an Merkmalen fest. Lassen Sie sich die Freiheit auch während des Schreibens noch Änderungen an Ihrer Figur zu machen.